Dann verließ Jesus die Stadt und ging, wie er es gewohnt war, zum Ölberg; seine Jünger folgten ihm. Als er dort war, sagte er zu ihnen: Betet darum, dass ihr nicht in Versuchung geratet! Dann entfernte er sich von ihnen ungefähr einen Steinwurf weit, kniete nieder und betete: Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen. Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und gab ihm (neue) Kraft. Und er betete in seiner Angst noch inständiger, und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte. Nach dem Gebet stand er auf, ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend; denn sie waren vor Kummer erschöpft. Da sagte er zu ihnen: Wie könnt ihr schlafen? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.
(Lk 22,39-46)
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Duccio di Buoninsegna
Gebet am Ölberg
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"Wie könnt ihr schlafen?", fragte Jesus. Warum schliefen sie am Ölberg, wohin Jesus mit ihnen gegangen war, wie er es gewohnt war? Er sprach ausführlich darüber, was geschehen würde: "Denn alles, was über mich gesagt ist, geht in Erfüllung." Dann betonte er noch einmal: "Betet darum, dass ihr nicht in Versuchung geratet!" Aber die Jünger waren eingeschlafen. In einer so angespannten Situation hatten sie sich von ihm gelöst und hatten sich voller Traurigkeit in den Schlaf geflüchtet. Sie hatten ihn alleingelassen und glaubten, selbst allein und Gefangene einer schwierigen Lage zu sein. Sie hatten seine Worte und das, was vor sich ging, nicht verstanden. Sie wurden von einem Gefühl der Traurigkeit beherrscht.
Jesus war nicht weit weg von ihnen, nur einen Steinwurf weit. Wir kennen das Bild. Sie schliefen, und er betete voller Angst. Er betete inständig und sagte: "Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen." Es war das Gebet eines Mannes, der zum Tode verurteilt worden war, eines Mannes, der auf seine Stunde wartet und spürt, dass das Ende nahe ist. Aber dieser Mann weiß auch, dass der Vater ihn nicht vergessen hat, und wendet sich an ihn.
Genau am Ölberg führt die Straße entlang, die von Jerusalem nach Jericho geht. Vielleicht hätte Jesus sein Leben retten können, wenn er diese Straße auch nachts eingeschlagen hätte. Vielleicht hätte er sich mit den beiden Schwertern, die ihm die Jünger angeboten hatten, vor den Dieben und Räubern schützen können, die diesen Weg zwischen Jericho und Jerusalem gefährlich machten, auf dem der barmherzige Samariter gegangen war und dem halbtoten Mann begegnet war. Aber Jesus schlägt diesen Weg nicht ein. Er bleibt auf der Anhöhe, die mit Olivenbäumen bewachsen ist, von der man Jerusalem sehen kann und den Lärm der Stadt hört.
Ganz allein betet er. Er hat keine Waffen und keine Begleiter. Er scheint von allen verlassen, auch von denen, die ihm am nächsten stehen. Er scheint den Menschen ausgeliefert. Wenn man ihn so sieht, ist er wirklich ein verlassener Mensch. Aber es gibt ein Zeichen der Zuneigung für diesen Menschen, der betet. Ein Engel vom Himmel erscheint ihm, um ihm Mut zu machen. Das ist die Antwort Gottes auf sein Gebet. Nur Gott allein wird ihn auf seinem Kreuzweg nicht verlassen. Hier zeigt sich die Güte Gottes und seine treue Barmherzigkeit. Aber diese Erscheinung des Engels ist auch eine schweigende Anklage an alle Menschen. Es war niemand da, der ihn tröstete. Ein Engel kam vom Himmel. Seine Jünger aber waren mit sich selbst beschäftigt, sie meinten, mehr zu leiden, schwächer und ärmer zu sein als Jesus und weinten über sich selbst. Das ist ihre Traurigkeit. Wenn man anfängt, sich selbst zu beweinen, vergisst man diesen zum Tode Verurteilten vom Ölberg. Wenn man beginnt, sich selbst zu beweinen, vergisst man alle Leidenden, alle Kranken und Einsamen, alle, die auf die dramatische Stunde ihres Todes warten. Wie könnt ihr schlafen? Diese Frage richtet sich auch an uns, die wir Jünger Jesu in dieser letzten Stunde sind. Der Herr stellt uns diese Frage, er weckt uns auf und sagt: "Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet." Er ist aufgestanden und betete.
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