Assisi: Dialog der Religionen in einer globalen Gesellschaft

Den Religionen wohnt eine Kraft des Friedens inne

Dreißig Jahre sind vergangen seit dem historischen Weltfriedensgebet, zu dem Papst Johannes Paul II. die Oberhäupter der Weltreligionen nach Assisi eingeladen hatte. Damals, mitten im Kalten Krieg, war diese Begegnung ein starkes Zeichen an die Welt: Den Religionen wohnt eine Kraft des Friedens inne, die die Welt dringend braucht. Die politischen Konstellationen haben sich im Lauf der letzten dreißig Jahre immer wieder verändert – doch ist der Friede weiterhin ein wertvolles und oft ein zu rares Gut.

Die Gemeinschaft Sant’Egidio wollte den Geist von Assisi weitertragen und organisierte jährlich an wechselnden Orten die Friedenstreffen, bei denen Religionsoberhäupter wie auch Vertreter aus Politik und Gesellschaft aus der ganzen Welt zusammenkamen. Zum 30. Jahrestag kehrte das Treffen nun nach Assisi zurück, in die Stadt des Heiligen Franziskus. „In der Begegnung liegt eine Befreiung aus vielen kleinen Partikularwelten“, so Andrea Riccardi, der Gründer von Sant’Egidio, bei der Eröffnung des Treffens im Teatro Lyrick in Assisi. „Der Dialog ist die Intelligenz des Zusammenlebens: Entweder werden wir zusammen leben oder zusammen sterben.“

Nach der Eröffnungsrede Riccardis vor über 500 Gästen und einigen Tausend Zuhörern sprach der ökumenische Patriarch Bartholomäus I. von Konstantinopel, gefolgt von Beiträgen von Vertretern des Judentums, des Islam und des Buddhismus. Weiter sprachen die Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik und die Präsidentin der Republik Südafrika.

Der polnische Philosoph und Soziologe Zygmunt Bauman, schon im letzten Jahr in Tirana mit dabei, benannte ein Dilemma der Welt von heute: “Heute, in der globalen Gesellschaft, wo finden wir da einen Feind? … Wir sind alle voneinander abhängig… Doch wir haben nicht einmal begonnen, ein kosmopolitisches Bewusstsein zu entwickeln. Wir gehen mit diesem Moment mit den Instrumenten unserer Vorfahren um… Das ist eine Falle…“

Mohammad Sammak, politischer Berater des Großmufti im Libanon, nahm auf Papst Franziskus Bezug, der zu Recht geäußert habe, dass es keine kriminelle Religion gibt, sondern dass es in allen Religionen Kriminelle gibt. Sammak erinnerte an den Priester Jacques Hamel, der bei dem Attentat im Juli in einer Kirche in Rouen getötet wurde und sagte: „Jacques Hamel ist nicht nur ein Opfer Eurer Kirche, sondern auch unserer Religion“.

Die internationalen Friedenstreffen sind nicht nur ein Ort, an dem ein lebendiger Dialog zwischen vielen verschiedenen Gästen stattfinden kann, inspiriert durch den Geist von Assisi. Sie führen auch zu konkreten Ergebnissen, wie etwa dem Friedensschluss nach dem 16 Jahre dauernden Bürgerkrieg in Mosambik im Jahr 1992. Zudem sind sie eine Plattform für humanitäre Initiativen, die den Frieden fördern, weil der Krieg „der Vater aller Armut“ ist, wie Andrea Riccardi ihn bezeichnet.

Ein Beispiel für neue Wege im humanitären Engagement stellte Cesar Alierta den Zuhörern bei der Eröffnung des Friedenstreffens vor Augen. Bis vor kurzem war er Präsident von „Telefonica“, Marktführer der Telekommunikation in Spanien. Der Manager will nun seine Zeit für den Kampf für eine menschlichere Gesellschaft einsetzen. Über 50 Millionen Kinder hätten keinen Zugang zur Bildung. Mit seiner Stiftung „ProFuturo“ setzt er sein Knowhow in IT und Telekommunikation für Projekte für Kinder in Afrika und Lateinamerika ein, mit denen schon zwei Millionen Kinder beschult werden konnten. In fünf Jahren will er zehn Millionen Kinder erreichen.

Der Beitrag von Alierta reiht sich ein in weitere, die die Gäste des Friedenstreffens inspirieren oder in ihrem Einsatz ermutigen. Nicht selten in der Geschichte der Treffen wurden dort neue Ideen geboren, die in den jeweiligen Ländern oder Glaubensgemeinschaften eine Umsetzung fanden. Die 29 verschiedenen Panels, die an zwei Tagen stattfinden, halten reichlich Anregungen bereit. Einige der Titel lauten: „Wirtschaft und Ungleichheit“, „Medien und Krieg: Information und Desinformation“, „Tunesien 5 Jahre nach der Jasminrevolution“, „Der Terrorismus leugnet Gott“, „Save Aleppo!“. Weitere Panels geben dem Dialog zwischen den Religionen Raum, wie etwa dem zwischen Judentum und Christentum.

Am Dienstag wird Papst Franziskus zum Friedenstreffen nach Assisi kommen. Er begegnet verschiedenen Religionsvertretern und isst mit ihnen zu Mittag. Danach wird er am Friedensgebet der verschiedenen christlichen Konfessionen teilnehmen. Bei der Abschlussveranstaltung auf dem Platz vor der Basilika di San Francesco wird der Papst vor den versammelten Religionsvertretern und über 12.000 Zuhörern eine Rede halten und gemeinsam mit den Religionsoberhäuptern den diesjährigen Friedensappell unterzeichnen und ein Friedenslicht entzünden. Einen ganzen Tag also wird der Papst in der Stadt seines Namenspatrons verbringen und der Welt den Frieden ans Herz legen.