Gebetstag für den Frieden in der Ukraine am 14. September in Santa Maria in Trastevere in Rom und an allen Orten, an denen Sant'Egidio anwesend ist

Meditation von Andrea Riccardi

Meditation von Andrea Riccardi

Kreuzerhöhung – Friedensgebet – 1 Kor 1,17-18

Liebe Schwestern und Brüder,

am Fest der Kreuzerhöhung sind wir auf Einladung der europäischen Bischöfe zum Gebet für den Frieden versammelt. Wir müssen für den Frieden beten. Wir beten wenig und sind daher unterwürfig gegenüber dem Lauf der Dinge, wir beschränken uns auf uns selbst und unsere Teilnahme ist eingeschränkt. Wir beten wenig für den Frieden. Man erlebt es sonntags in den Kirchen, wo der Krieg nicht in den Fürbitten vorkommt. Während die Waffen mit unglaublicher Geschwindigkeit um die Welt fliegen, befindet sich die große Waffe des Gebets – wie Alfons von Liguori zu sagen pflegte – im Arsenal der Vergangenheit. Dieser Aufruf, im Gebet aufzuwachen und sich in einem Schrei zu vereinen, ist angemessen: Frieden! Das Wort Schalom hat in der Bibel viele Bedeutungen: Frieden, Wohlbefinden und Sicherheit. Der Zustand des Wohlergehens für den Mann, die Frau, das Kind, den alten Menschen. Wie gut und menschlich ist es, wenn es dem Menschen gut geht! Der Friede ist der Name Gottes, seit Gideon dem Herrn einen Altar geweiht hat und ihn „Der Herr ist Friede" nannte (Ri 6,24). Dieser Glaube zieht sich durch die ganze Bibel, bis Paulus ihm eine Stimme gibt, indem er den Ephesern von Jesus schreibt: „Denn er ist unser Friede“ (2,14). Der Friede ist der Name Gottes.

Und doch – so sagt Gott im Buch Jesaja, und das gilt auch heute – „ständig, jeden Tag wird mein Name gelästert“ (52,5). Ja, der Name Gottes wird gelästert, wenn der Frieden mit Füßen getreten wird. Durch die terroristische Gewalt im Norden Mosambiks, wo sich eine Katastrophe biblischen Ausmaßes abspielt: fast eine Million Vertriebene, die durch die Anschläge terrorisiert wurden. Vor einigen Tagen wurde die Missionarin, Schwester Maria De Coppi, im Alter von 83 Jahren brutal ermordet, davon verbrachte sie 60 Jahre in Mosambik, einer kleinen Stadt in den Vororten und Armenvierteln des Landes. Ihr Tod wirft ein Licht auf ihr Leben, das einer Leidenschaft gewidmet war: den Christen und den Armen des Landes. Er wirft ein Licht auf unser Leben in einer Zeit trauriger Leidenschaften, die uns alle umgeben. Sie war Zeugin für das Ende des Krieges und für den Frieden, den sie 1992, vor dreißig Jahren, bei einer Mission erlebte: „Es waren auch Militärangehörige bei uns. Wir bekamen Angst, weil wir die übliche Gewalt befürchteten. Stattdessen kamen die Guerilleros zu uns und den Militärs und sagten immer wieder ‚Frieden, Frieden‘. Ein Soldat kaufte einige typische Produkte und bot sie den Guerillas an. Alle tanzten, und ich fragte mich, ob das Realität oder ein Traum war, denn bis zum Vortag hatte die Guerilla Leute entführt und getötet. Es war ein Moment, der mich tief berührt hat. Ich spürte die Gegenwart Gottes.“

Gott ist der Friede, aber sein Name wird in der Ukraine gelästert, in einem Krieg, der kein Ende nimmt, der den Frieden aus dem Wortschatz verschwinden lässt, Städte und Menschenleben auslöscht und acht Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht hat. Ein Krieg, über dem die nukleare Bedrohung schwebt. Der Krieg in der Ukraine ist ein schweres Kreuz, an dem der Sohn Gottes gelästert wird. Mit ihm Frauen, Kinder, alte Menschen, Männer, Kinder von Völkern, die wirklich Geschwister sind (und das ist keine Propaganda, sondern die Realität der Geschichte, sie sind aus der Taufe der Russ hervorgegangen). Ein Brudermord und ein von wenigen gewollter Bürgerkrieg, der zwei Völker ganz und gar gefangen hält und die Welt in Brand zu setzen droht, denn der Krieg verbreitet sich selbst, wie wir es erleben (man denke nur an das Wiederaufflammen des Konflikts zwischen Aserbaidschanern und Armeniern).

Der Krieg führt dazu, dass Menschen in der Ferne sterben, wie die Flüchtlinge, die aufgrund von Konflikten oder Not aufbrechen, die im Mittelmeer sterben: Kinder, Babys... sie werden nicht gerettet, sind von Verzweiflung getrieben. Seit Anfang 2022 sind fast 1.300 Menschen gestorben oder verschollen. Das Versinken im Meer ist das äußerste Zeichen einer Welt, die nichts tun will, die aufgibt, die in Ohnmacht verharrt ohne ein sensibles Gewissen, das sie dazu drängt, die eigenen Arme auszustrecken.

Vor dem Kreuz Christi, angesichts des Krieges, halten wir keine klugen Reden: „damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird“. Ich erinnere mich, mit welcher Kraft Johannes Paul II. auf Latein sagte: 'ut non evacuetur crux Christi'. Beim Kreuz betreibt man keine Geopolitik, sondern man glaubt und weint. Wie der Hauptmann. Nur vom Kreuz geht eine Friedensprophezeiung aus: „Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft.“ Den Beziehungen zwischen den Völkern fehlt es wirklich an einer Friedensprophezeiung und damit auch an Realismus.

Die Menschen, die römische Obrigkeit, die Religionsoberhäupter und der instrumentalisierte Populismus auf den Plätzen von Jerusalem verurteilten Jesus zum Kreuz. Die einen verachteten ihn, andere beschimpften ihn, manche waren gleichgültig und andere fürchteten sich. Aber Gott erweckte ihn zum Leben, weil sein Sohn nicht von der Dunkelheit des Todes zurückgehalten werden durfte. Das Kreuz, das die Existenz und das Leben der Menschen und die Geschichte prägt, ist nicht das letzte Wort. Angesichts dessen zeigt sich die Kraft Gottes, die zum Leben ruft. Und die Frauen sind die ersten, die sagen: „Er ist auferstanden.“ Krieg ist Männersache, und zuerst werden die Frauen das Wort Frieden aussprechen.

 

Vor dem Kreuz, dem riesigen Kreuz des Krieges in der Ukraine, in Mosambik, in Syrien und an all den anderen Orten müssen wir wieder weinen, als wären es unsere Kinder, unsere Geschwister, unsere Mütter und Väter Wir müssen seine Härte auf unseren Schultern spüren wie Simon von Cyrene, denn wir dürfen uns nicht nur um uns kümmern, um uns weinen oder gegen unsere Mitmenschen vorgehen (damit wir uns ein wenig lebendig fühlen). Wir brauchen die Nächsten, um gemeinsam zu beten, damit Gott die Völker, für die wir beten, in Frieden auferstehen lässt. Wir brauchen Mitmenschen, um einen Traum vom Frieden zu verwirklichen: um die Verwundeten zu heilen, um für das Ende des Krieges zu arbeiten. Das ist ein von Gott gesegneter Traum. Möge der Herr seinen Geist des Friedens in die Herzen der wenigen Entscheidungsträger senden und Gefühle des Friedens wecken. Er möge den Händen, die töten, Einhalt gebieten; er möge denen, die sich hassen, Menschlichkeit und Geschwisterlichkeit zurückgeben. Voll Glauben rufen wir zum Herrn, damit dieses Wunder der Auferstehung bald vollbracht werde.