Tägliches Gebet

Homilie

Direkt im Anschluss an das Evangelium der Seligpreisungen wendet sich Jesus an die Jünger und sagt ihnen, dass sie Salz der Erde und Licht der Welt sind. Wir stehen noch am Anfang der Predigt des Evangeliums, und die Jünger können sich zweifellos noch nicht rühmen, ein vorbildliches Leben als "Menschen der Seligpreisungen" zu führen. Daher verwundert es nicht, dass diese Worte sowohl ihnen als auch uns als überschwänglich und übertrieben erscheinen. Trotzdem sagt Jesus weiter: "Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen?" Dahinter verbirgt sich gleichsam eine Frage nach Verantwortung, ein mutiger Ruf Jesu, der scheinbar sagen möchte: "Ich habe niemand anderen als euch, um das Evangelium zu verkünden." Mit anderen Worten: "Wenn euer Verhalten fade und geschmacklos ist, habe ich auch kein anderes Mittel zur Verkündigung des Evangeliums." Das Gleiche geschieht mit dem Licht, wenn man es unter den Scheffel stellt, der umgedreht manchmal auch als Konsole diente. Auch in diesem Fall gibt es keine Abhilfe, man bleibt im Dunkeln.
Diese Aussage bezieht sich nicht nur auf damals, sie gilt auch heute noch. Die Aufgabe, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein, darf niemals vernachlässigt werden. Angesichts dieser Worte ist sich jeder von uns wohl bewusst, dass er keine Mittel dazu besitzt. Wir sind wirklich schwach im Vergleich zu der Aufgabe, die uns anvertraut ist, und zu den Seligpreisungen, die wir am vergangenen Sonntag gehört haben. Wie kann man Salz und Licht sein? Sind wir nicht alle ungeeignet? Als dem Apostel Petrus einmal die Gegenwart des Herrn bewusst wurde, sagte er: "Geh weg von mir, ich bin ein Sünder." Dieser Satz, den wir alle aussprechen können und den wir öfter sagen müssten, kommt zu selten über unsere Lippen. Jeder von uns hat eine gute Meinung von sich. Wenn wir manchmal doch unsere Schwäche hervorheben, tun wir es weniger aus Demut als aus einer resignierten Haltung heraus, weil wir nicht Licht und Salz sein wollen, obwohl wir dazu in der Lage wären. Dadurch führt unsere angebliche Unwürdigkeit Schritt für Schritt zur Passivität und somit zur Faulheit und letztlich zur Absage. Doch das Matthäusevangelium beharrt darauf, dass wir auch als arme Männer und Frauen Salz und Licht sind. Wir sind es nicht aus eigener Kraft, sondern indem wir Anteil haben am wahren Salz und am wahren Licht, das Jesus von Nazaret ist. Der Johannesevangelist schreibt: "Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt." Das Licht stammt nicht aus den persönlichen Gaben des Einzelnen oder aus seiner angeblich guten Natur oder aus unseren Tugenden. Der Apostel Paulus erinnert in seinem Brief an die Christen von Korinth daran, dass er nicht mit glänzenden Reden zu ihnen kam: "Zudem kam ich in Schwäche und in Furcht, zitternd und bebend zu euch." Doch trotz seiner Schwäche, seiner Furcht und seines Zitterns verteidigt er die Würde seines Amtes: "Denn ich hatte mich entschlossen, bei euch nichts zu wissen außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten." Die Schwäche des Apostels verdunkelt das Licht der Verkündigung nicht, sie verringert die Kraft der Predigt und des Zeugnisses nicht. Im Gegenteil, sie ist deren Säule und Begründung: "Damit sich euer Glaube nicht auf Menschenweisheit stütze, sondern auf die Kraft Gottes."
Diese Worte haben eine tiefe Bedeutung und sind befreiend. Im Unterschied zu dem, was unter Menschen üblich ist, sind wir Christen vor Gott nicht dazu verdammt, unsere Schwäche und Armseligkeit, aus der wir gemacht sind, zu verbergen. Sie gefährden die göttliche Macht nicht, sie stellen sie nicht infrage und machen sie nicht zunichte, vielmehr heben sie sie hervor, wenn wir sie annehmen. Achten wir jedoch darauf, die Schwäche nicht mit Faulheit zu verwechseln und die Armseligkeit mit Geiz. Seien wir uns bewusst: "Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen; so wird deutlich, dass das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt" (2Kor 4,7). Der Herr ist der Erste, der sich unserer Schwäche nicht schämt; sein Licht wird durch unsere Finsternis nicht gedämpft. Das Evangelium verachtet den Menschen in keiner Weise; der Herr hegt keinerlei Abneigung gegen- über dem Menschen und wird zu Recht als "Freund der Men- schen" bezeichnet. Paulus fügt hinzu: "Wer sich also rühmen will, der rühme sich des Herrn." Unser Ruhm stammt niemals von uns selbst. Die Gnade Gottes, seine Liebe, leuchte in unserer Schwäche. Wir ­können sie uns nicht aneignen, sie ist immer größer als wir und verlässt uns nie. Im Evangelium heißt es dazu: "So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen." Der Herr fordert uns auf, Arbeiter für das Evangelium zu werden. Der Prophet erklärt das so: "An die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich ­deinen Verwandten nicht zu entziehen." Die Nächstenliebe ist das Licht des Herrn, eine großzügige Liebe macht das Herz weit. Sie gilt vor allem den Armen und Schwachen und vergisst gleichsam auch die Menschen in der eigenen Umgebung nicht. Der Prophet fügt hinzu: So "wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte ... dann geht im Dunkel dein Licht auf und deine Finsternis wird hell wie der Mittag."