Kirchen fordern "humanitäre Korridore" für Flüchtlinge

Auch Berliner Wirtschaft unterstützt neue Modelle

Eine ungewöhnliche Allianz bildet sich derzeit in der Flüchtlingspolitik: Kirchen und Wirtschaft fordern gleichermaßen neue Lösungen, damit mehr Flüchtlinge legal nach Europa kommen können. Eine Vorschlag sind mehr humanitäre Visa. Vorbild ist dabei ein Projekt in Italien.

Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise fordern Kirchen und Wirtschaft neue Allianzen in der Gesellschaft. Das beinhaltet nach Vorstellung der Kirchen in Deutschland zum Beispiel mehr humanitäre Visa für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge. So könnten mehr Flüchtlinge legal einreisen, forderten die Kirchen gemeinsam mit der katholischen Laien-Gemeinschaft Sant'Egidio aus Rom.

Herausforderungen wie die weltweite Flüchtlingsproblematik könnten nur durch ungewohnte Zusammenschlüsse bewältigt werden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Markus Kerber, am Montag in Berlin anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni. "Humanitäre Korridore" seien eine mögliche Lösung, aber nur ein Puzzlestein von vielen, so Kerber.

1.000 Visa für Flüchtlinge in Italien

Die Gemeinschaft Sant'Egidio praktiziert in Italien bereits ein Modell der "humanitären Korridore" für Flüchtlinge. Dabei vergibt der italienische Staat in den kommenden zwei Jahren bis zu 1.000 humanitäre Visa an Flüchtlinge, die von den Initiativen unter Federführung der katholischen Gemeinschaft St. Egidio in den Flüchtlingslagern im Nahen Osten ausgewählt, nach Italien gebracht und für mehrere Monate privat versorgt werden. Das Modell sei auf jeden anderen EU-Staat sofort übertragbar, sagte die Verantwortliche der Gemeinschaft in Deutschland, Ursula Kalb, am Montag

Berliner Bischöfe wollen zuerst Kostenfrage klären

Die Berliner Bischöfe Dröge und Koch befürworteten private humanitäre Initiativen, allerdings müsse man zuvor klären, wer die Kosten übernimmt. Auch dürfe der Staat nicht aus der Verantwortung genommen werden, bereits verabredete humanitäre Programme müssten auch umgesetzt werden. "Humanitäre Korridore" würden das Flüchtlingsproblem nicht lösen können, sagte der Berliner Erzbischof Heiner Koch. Aber er sei froh, dass es den Mut gebe, etwas zu tun. "Jeder einzelne Mensch, der so gerettet wird, ist es wert."

BDI-Chef sieht Geld gut investiert

BDI-Chef Kerber forderte vor allem aber mehr Anstrengungen und Innovationen in der Fluchtursachenbekämpfung, um die Lebensbedingungen in den Heimatländern zu verbessern. Das werde alles "sehr, sehr viel Geld kosten". Aber es sei klug investiert, wenn es zu einem friedlichen Afrika und einer Befriedung des Nahen Ostens führe, sagte Kerber. Dabei sieht er auch die Wirtschaft in der Verantwortung. Länder wie Deutschland dürften nicht nur exportieren, sondern müssten auch importieren, das sage einem schon die "ökonomische Logik".