Osnabrücker Kirchenbote

Eine Kerze für jeden toten Flüchtling

22 Ноябрь 2016

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Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrunken sind oder auf andere Weise ihr Leben verloren haben, sollen nicht vergessen werden. Dafür sorgt Martin Schürenberg von der geistlichen Gemeinschaft Sant’Egidio. Mit anderen Engagierten hat er in der Propsteikirche St. Johann ein ökumenisches Gebet organisiert.

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Martin Schürenberg zitiert an diesem Abend aus dem Prophetenbuch Jesajas: „So spricht Gott, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ (Jesaja 43,1). Den einzelnen Menschen sehen – darum geht es dem Initiator dieses ersten Gebets. Aber die Details gingen oft unter, beklagt er. 4000 Menschen seien allein in diesem Jahr im Mittelmeer ertrunken. Schürenberg findet, dass die Zahlen das Thema Flucht auf Distanz halten. „Es sterben Männer und Frauen, Mütter und Väter, Jugendliche, Kinder und Babys, Menschen mit Gesichtern, Menschen mit einer Geschichte. Zahlen kennen keine Namen, aber Gott ruft jeden einzelnen bei seinem Namen.“

In St. Johann versammeln sich viele Menschen, denen die Flucht gelungen ist, die aber Angehörige und Freunde verloren haben. Sie trauern und nehmen sich gegenseitig in den Arm. Für jeden Einzelnen wird gebetet, eine Kerze angezündet. Jeder Name wird vorgelesen, die Schicksale und Orte werden erwähnt. So zum Beispiel betet ein Betroffener für seinen Vater, der, alt und schwerkrank, nicht aus Syrien fliehen konnte und dort starb. „Mit ihm gedenken wir aller alten und kranken Menschen, die vor dem Krieg nicht fliehen können“, sagt Martin Schürenberg.

Erste Einträge in das „Buch des Lebens“

Ein junges Paar aus Eritrea tritt mit seiner kleinen Tochter vor den Altar und betet für den vierjährigen Sohn, der den Weg durch die Wüste nicht überlebt hat. Erstmals holen Messdiener und Flüchtlinge das in der Kirche ausgelegte „Buch des Lebens“ nach vorn, so dass nun die Namen verstorbener Flüchtlinge die ersten Seiten füllen.

„Wir haben eine Leidenschaft für den Einzelnen entwickelt“, sagt Martin Schürenberg. Sant’Egidio setzt sich für die Weitergabe des Evangeliums und für den Dienst an den Armen ein. Wie ist er auf die Gemeinschaft gestoßen? Das sei 2002 gewesen bei einer besonderen Begegnung in seiner Heimatgemeinde „Guter Hirt“ in Bremen-Lilienthal. Der damalige Bischof Josef Homeyer aus Hildesheim habe die Kirche verlassen mit den Worten: „Vergesst die Armen nicht.“ Das hat bei Schürenberg nachgewirkt.

So besucht er jeden Freitag ein Bremer Altenheim und kümmert sich um die Bewohner. Mit dabei sind Jugendliche von Sant’Egidio und oft auch Schüler, die ein naturwissenschaftliches Praktikum in Schürenbergs Firma absolvieren. „In der Straßenbahn tauschen wir uns noch über Moleküle aus, im Altenheim dann mit den Bewohnern“, berichtet der promovierte Physiker.

Weihnachtsessen für über 100 Menschen

Die Bremer Gemeinschaft Sant’Egidio veranstaltet auch in diesem Jahr wieder ein festliches Essen am ersten Weihnachtstag – und lädt neben Altenheimbewohnern auch Flüchtlinge aus dem Gedenkgottesdienst ein. „Angefangen haben wir damit vor sieben Jahren“, sagt Schürenberg, und zwar im heimischen Wohnzimmer mit acht Personen und 120 Krippenfiguren. „Ich bin leidenschaftlicher Krippenaufbauer“, erzählt er. Der 52-Jährige, der in Bochum studiert und in Münster promoviert hat, organisiert inzwischen für über 100 Menschen so ein Weihnachtsessen. „Wir feiern mit all denen, die keine Familie haben.“ Und auch das ökumenische Gebet gegen das Vergessen solle nicht das letzte gewesen sein.

 

Zur Sache

Die Gemeinschaft Sant’Egidio bietet am 25. Dezember wieder ein festliches Weihnachtsessen im Gemeindehaus St. Ursula in Bremen-Schwachhausen an. Wer als Helfer oder Gast daran interessiert ist, kann sich bei Martin Schürenberg melden, Telefon 01?76/72?27?65?87, E-Mail: [email protected]. Weitere Informationen: www.santegidio.org


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